DRUCK & STRESS -
Die ziemlich besten Freunde psychischer Probleme
40% aller Menschen leiden innerhalb Ihres Lebens einmal oder öfter an einer “psychischen Störung mit Krankheitswert” (siehe unten).
Druck und Stress sind in der turbokapitalistischen “Leistungs-gesellschaft” allgegenwärtig (siehe: “Exkurs” unten).
Und Druck & Stress sind es, welche die Saat psychischer Störungen, die für jeden Menschen aufgrund seiner Lebensgeschichte ganz individuell gesät ist, zum “Erblühen” bringt.
Andererseits sind viele Menschen vom gesellschaftlichen Leben nahezu ausgeschlossen. Und leiden ebenso darunter. Die Armutsgefährdungsquote in Deutschland liegt bei knapp 25%.
In einem Bild kann man dies so ausdrücken.
Übersicht: Die soziale Situation in Deutschland
Was sind krankheitswertige psychische Probleme?
Krankheitswertige psychische Probleme sind solche, die so stark sind, dass das allgemeine Wohlbefinden, das Beziehungserleben und/oder die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, durch sie beeinträchtigt wird.
Aufgabe von Psychotherapeuten ist es, die Behandlungsbedürftigkeit festzustellen und eine passende Psychotherapie einzuleiten.
Ziel einer Psychotherapie kann die Heilung o. Minderung psychischer Symptome bzw. die Vorbeugung einer Verschlimmerung sein.
Frühe Prävention ist die beste Medizin …
Denn: Unbehandelte, krankheitswertige psychische Störungen, neigen dazu, sich auszubreiten und zu verschlimmern. An kritischen Punkten bricht das Bewältigungssystem einer Person dann oft zusammen.
Mit ungünstigen Folgen für die berufliche Leistungsfähigkeit, zwischenmenschliche Beziehungen und die eigene Lebensqualität.
Wer erkennt, dass er/sie, eine Krise/Situation aus eigener Kraft nicht recht bewältigen kann, kann therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
Je früher, desto besser; damit sich Probleme nicht verfestigen können.
Wirkfaktoren einer Psychotherapie
Gesetzliche Psychotherapie folgt dem bio-psycho-sozialen Krankheits-modell. Zur Abklärung der körperlichen Faktoren erfolgt in Deutschland ein Ärztlicher Konsiliarbericht.
In der Forschung haben sich neben der therapeutischen Beziehung vier allgemeine Wirkfaktoren von Psychotherapie etabliert:
Psychische Erkrankungen – Ein Weg in die Armut?
Unser Gesundheits- und Sozialsystem gibt kranken Menschen Zeit, sich zu erholen und die passenden Therapien wahrzunehmen.
Bei einer fortgeschrittenen psychischen Erkrankung (wie z.B. Depression) benötigen Sie jedoch u.U. deutlich mehr Zeit, als Ihnen von Ihrer gesellschaftlichen Umwelt zugestanden wird. Bei verminderter Leistungsfähigkeit kann dies (relativ schnell) grosse wirtschaftliche Probleme und Abhängigkeiten mit sich bringen.
Viele Menschen, die in Armut leben müssen, litten zuvor an einer unbehandelten psychischen Störung.
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat zum typischen Verlauf dieses Prozesses folgende anschauliche Grafik veröffentlicht:
Dieses reale Risiko wird von vielen Menschen unterschätzt und der Besuch beim Therapeuten bis zuletzt hinausgezögert.
Findet sich dann kein sofortiger Therapieplatz, kann alles sehr schnell gehen, ohne dass der Lebensstandard gehalten werden kann.
Arbeitslosigkeit droht. Ist der ALG I -Anspruch aufgebraucht (wenn er überhaupt besteht), muss zunächst vorhandenes Vermögen aufgewandt werden, bevor man weitere Unterstützung erhält (Ausnahme: Wohngeld). Nach langer Abwesenheit ist es schwieriger, eine Arbeit mit gleichem Niveau und Einkommen zu finden, wie zuvor.
Ein Risiko, dass nicht wirklich lohnt, eingegangen zu werden.
Muss ich mich schämen, zum Therapeuten zu gehen ?
Eindeutig: Nein. In weiter fortgeschrittenen “turbokapitalistischen” Ländern wie Grossbritannien oder den USA gilt es sogar als beruflich fahrlässig, nicht regelmässig zum Therapeuten zu gehen!
Manche Autoren behaupten gar, dass psychische Störungen in einer zunehmend absurden kapitalistischen Welt ein Zeichen von Gesundheit sind. So der Psychologe Manfred Lütz – sein Buch: “Irre – wir behandeln die Falschen – Unser Problem sind die Normalen“.
Passend dazu, ein kleiner Exkurs.
Exkurs: “Stress & Gesellschaft” -
Der Kapitalismus in der Dauerkrise?
Beruflicher Druck, hohe Arbeitsbelastung; resultierender Zeitmangel für die Familie und folgende Beziehungsprobleme. Trotz all der Arbeit, Probleme, Kredite zu bedienen oder den Urlaub zu finanzieren. Ständig Konkurrenz im Nacken, die auf den eigenen Job scharf ist?
Arbeitnehmer haben es nicht viel leichter als Arbeitslose oder die Mehrheit der Rentner, die jeden Cent dreimal umdrehen muss.
Existentieller Dauerdruck, der der Psyche nicht gut bekommt; das gesellschaftliche Klima rauher werden lässt und bei vielen Menschen zu Selbstwertproblemen, Ängsten oder Depressionen führt.
Viele Ursachen dieses “Drucks im Kleinen” liegen jedoch im Großen. Und können vom Einzelnen nur schwer beeinflusst werden.
Psychotherapie findet in einem gesellschaftlichen Rahmen statt und muss sich deshalb mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzen.
Und diese Probleme sind komplex, wie ohne eine einfache Lösung.
Struktureller Dauerstress von Oben: Das Weltfinanzsystem
Die soziale Marktwirtschaft in Gefahr ?
Am 13.1.2014 wurde der anerkannte Ökonom und “Börsenprofessor” Max Otte in der ARD Sendung “Geld regiert die Welt” mit folgenden besorgniserregenden Worten zitiert:
“Im Prinzip gibt es im Moment einen Kampf der Systeme: Es gibt den aggressiven, transaktionsorientierten, sehr renditeorientierten angelsächsischen Kapitalismus, der eigentlich seit den 70er Jahren auf dem Vormarsch ist. Dann gibt es das, was wir in Europa, zumindest in Kontinentaleuropa, als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet haben, also einen sozialen Kapitalismus, einen Kapitalismus mit Regeln für alle.
Und in diesem Kampf der Betriebssysteme – so möchte ich das einmal nennen – setzt sich der angelsächsische Kapitalismus mit zunehmender Geschwindigkeit durch. Und aus meiner Sicht stehen wir schon fast vor einem Kollaps der Sozialen Marktwirtschaft. Das dauert nicht mehr lange, wenn es so weiter geht wie bisher.”
Damit reflektiert Herr Otte knapp 20 Jahre später die Visionen des weltweiten, deutschen Wirtschaftsbestsellers “Die Globalisierungs-falle”. Dessen These: Zügelloser Kapitalismus zerstört sich selbst, indem er die Grundlagen seiner Existenz erodiert: Einen funktions-fähigen Staat & den sozialen Frieden in einer stabilen Demokratie.
Das Fazit der Autoren damals: “Rette sich wer kann, doch wer kann ?“
Warum ist das so?
Diese Sorgen sind leider nicht unbegründet.
Vereinfacht besteht ein Hauptproblem darin, dass im “globalisierten Turbokapitalismus” die grundsätzlichen Probleme des Geldsystems (z.B. exponentielles Geld- und Kreditwachstum, verdeckte Zinsen, eine von der Realwirtschaft entkoppelte Finanzindustrie) viel schneller zu grossen Krisen führen können, als je zuvor.
Dieses Video versucht, diese Grundprobleme kurz zu erklären.
Durch grenzüberschreitend “freies” Kapital und neue Technologie können sich dazu auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Branchen, Regionen oder Ländern schneller ändern als je zuvor.
Filme wie “Zeit der Kannibalen” versuchen auf satirischem Wege zu zeigen, wie wenige Einzelne rasend schnell und nicht immer sehr ethisch über das wirtschaftliche Schicksal der Vielen bestimmen können. Und am Ende selbst Opfer Ihrer eigenen Handlungen werden.
Lehrer finden hier interessantes Unterrichtsmaterial dazu.
Symptome einer Krise
Die Probleme lassen sich auch an Zahlen ablesen.
Schon heute verfügen die “oberen 20%” der deutschen Bevölkerung über 80% des Gesamtvermögens; die Vermögensschere zwischen “arm” und “reich” klafft immer weiter auseinander.
Trotz wachsender Wirtschaft & niedriger Arbeitslosigkeit, sinken seit Jahrzehnten die Reallöhne. Während die Lebenskosten steigen.
Niedrigzinsen bedrohen die Alterseinkünfte vieler Menschen; das damit einhergehende Inflationsrisiko kann noch einmal zu einer massiven Entwertung von Sparvermögen und somit mehr Armut führen.
Schwer vorzustellen, dass unter diesen Bedingungen in einem “Wettbewerbs”-Wirtschaftssystem Chancengleichheit herrscht.
Schwer vorzustellen auch, wie die “unteren 80%” genug zum Leben erwirtschaften sollen, wenn jeder das Ziel hat, “Mehrwert” auf sein Vermögen zu erwirtschaften. Harzt IV schafft minimalen Ausgleich.
Zahllose Staaten in Europa sind durch hohe Schulden zunehmend handlungsunfähig und können nur durch aussergewöhnliche Massnahmen vor dem Bankrott gerettet werden. In diesen Staaten herrschen katastrophale soziale Zustände.
Die Ideologie des Neoliberalismus und globalisierter Finanzkapitalismus haben in Ihrer sozialen Verantwortung versagt. Schlimmer noch, das Finanzsystem selbst (Banken) musste 2009 mit dem Geld der Steuerzahler gerettet werden! Wodurch es für die zu hohen Staatsverschuldungen eigentlich verantwortlich ist.
Auf den sozialen Ausgleich dafür wird noch gewartet.
Büssen soll die arbeitsfähige Jugend; doch diese fragt sich: “Warum”?
Jugend: Generation Y – neue Wege, alte Werte?
Die derzeitige “Jugend” von Soziologen, Generation Y (“Why”?) getauft, spiegelt diese Probleme. Sie zeichnet sich laut Soziologen durch passiven Widerstand gegen die Leistungsgesellschaft aus.
Mit Recht. Die Jugendlichen sehen begrenzt Sinn darin, für spärliche Gehälter ein System voller Probleme am Laufen zu halten und dafür ihre Lebensfreude zu opfern. Es ist für sie nahezu unmöglich, unter den bestehenden Bedingungen in den traditionellen Werten der Leistungsgesellschaft Sinn, Erfüllung, Selbstwert und Glück zu finden.
So schafft sich die Jugend neue, alte Werte: Freizeit, Freunde, Familie und Glück. Und findet neue Wege zu ihnen.
Denn intuitiv spürt sie, dass sie darin mehr Erfüllung finden kann, als indem sie sich für die Kreditzinsen von Unternehmern, die Schulden von Staaten oder die Dividenden von Aktionären 60 Stunden die Woche unter Dauerleistungsdruck abrackert.
Generation Y steht indirekt für eine gesündere Balance zwischen Arbeit und Leben; sie hat die Burn-Outs Ihrer Elterngeneration miterlebt und wehrt sich innerlich dagegen, ein ähnliches Schicksal zu erleiden.
Auch Personaler bekommen dies zunehmend zu spüren.
Ein Blick nach vorn
Die Auswüchse des globalisierterten Turbokapitalismus und das soziale, vor allem das kulturelle Miteinander in einer Werte-gesellschaft wieder zu vereinen, ist eine Aufgabe für Generationen.
Denn auch der Staat ist zu seiner Finanzierung – wie schon zu Zeiten der Fugger – vom etablierten Finanzsystem abhängig. Und wie soll jemand etwas verändern, das ihn praktisch in der Hand hat?
Insofern sind Werte der Generation Y und die Suche nach dem subjektiven Glück nicht die schlechteste Position. Gepaart mit sozialer Verantwortung und Geduld könnten sie etwas bewegen.
Denn der Mensch ist ein soziales, kulturelles und nicht nur ein ökonomisches Wesen. Wenn auch kein perfektes.
Das Leben hat mehr zu bieten, als Arbeit – so wichtig sie auch ist.